<strong>Bei der Informationsbeschaffung nützen die Menschen in Österreich gerne mehrere Kanäle. Lieber tun es nur die Menschen in der Türkei.</strong>
Reden wir die Österreicherinnen und Österreicher nicht schlechter als sie es verdienen. Zum Beispiel: Sie informieren sich mehr als Bürgerinnen und Bürger anderer Länder über „News“, sagt der <a href=“http://reutersinstitute.politics.ox.ac.uk/sites/default/files/Digital-News-Report-2016.pdf“ target=“_blank“>Reuters Institute Digital News Report 2016</a>. Dafür wurden Menschen in 26 Ländern befragt, im Wesentlichen den OECD-Staaten.
Eine wirklich gute Nachricht für österreichische Zeitungsunternehmen ist, dass in Österreich 67 Prozent Nachrichten aus Printmedien beziehen. Das ist der bei weitem höchste Wert aller beteiligten Länder, dem nur die Schweiz mit 63 Prozent nahe kommt. Zum Vergleich: In Deutschland sind es nur 38 Prozent und in den skandinavischen Demokratien zwischen 29 (Dänemark) und 53 Prozent (Finnland).
In den anderen Kategorien, TV (76), Radio (46) und Online (73 Prozent) schlägt sich Österreich zwar nicht herausragend, aber durchaus gut. Zu einem überraschenden Ergebnis kommt man aber, wenn man die Quersumme der Prozentsätze bildet. Da hängt Österreich alle Länder ab, bis auf eines: die Türkei. Man kann also sagen: Die Türkei und Österreich sind die Länder, in denen sich die Menschen am intensivsten über mehrere Medienkanäle Nachrichten holen. Der Schluss, dass in diesen beiden Ländern nutzerseitig der größte Medienpluralismus herrscht, wäre natürlich ein wenig vorschnell. Es wird wohl Türken geben, die nur AKP-Medien konsumieren und über die TV. Radio, Print und Online mehr oder minder gleichgeschaltete Informationen beziehen.
Medienpluralismus – das bedeutet, nicht nur Informationen zu beziehen, die die eigene, vorgefasste Meinung bestätigen, sondern sich auch mit Nachrichten zu konfrontieren, die eventuell Zweifel am eigenen (Vor-)Urteil kommen lassen. Wie es um den steht, kann man beurteilen, wenn man sich anschaut, wie viele Menschen mehrere Tageszeitungen lesen.
Als ich das herausfinden wollte, musste ich erstaunlicherweise feststellen, dass diese Daten nicht einfach aus dem Netz zu holen sind. Mit ein wenig Hartnäckigkeit ist es dann aber doch gelungen. Demnach liest (Daten aus der <a href=“http://www.media-analyse.at/“>Mediaanalyse 2015</a>) ein Viertel der Österreicherinnen und Österreicher mehr als eine Tageszeitung. Am meisten sind es in Wien, nämlich 34,5 Prozent. Das mag am größeren Angebot liegen, vielleicht aber auch daran, dass es dort die meisten professionellen Zeitungsleserinnen und -leser gibt.
Ob 24 Prozent Mehr-als-eine-Tageszeitung-Leser viel oder wenig ist? Es gibt jedenfalls mehr Nicht-Tageszeitungs-Leser. Jeder Dritte in Österreich verzichtet auf den Zeitungskonsum (was im Vergleich zu anderen Industrieländern in Europa, Amerika und Asien ein geringer Wert ist, wie wir aus dem Reuters Report wissen.
Die meisten Mehr-als-eine-Tageszeitung-Leser in Österreich gibt es unter den 60- bis 69jährigen (fast 33 Prozent). Klar, die haben am meisten Zeit, Mit dem 70sten Lebensjahr sinkt die Zahl der Vielleser wieder, eventuell weil sie schon schlechter sehen. In beiden Gruppen ist die Zahl der Nichtleser aber am geringsten (17 bzw. 18,2 Prozent) Von den 14- bis 29jährigen liest dagegen mehr als Hälfte keine Zeitung. Aber immerhin ein Fünftel der 14- bis 19jährigen und rund ein Sechstel der 20- bis 29jährigen lesen mehr als eine Tageszeitung.
Fazit: Österreicherinnen und Österreicher sind im internationalen Vergleich Informations-Junkies. Pluralistisches Mediennutzungsverhalten ist in Österreich nichts Exotisches. Und Förderung einer solchen Intensivnutzung, sollte ein demokratiepolitisches Anliegen sein. Vielleicht sollte man ein umgekehrtes (Grazer) Hundeabgabe-Modell in Erwägung ziehen – ab der zweiten Zeitung wird es günstiger. <a href=“https://shop.kleinezeitung.at/digital-abo/flatratetest“ target=“_blank“>Flatrate-Abos</a> dieser Art gibt es privatwirtschaftlich organisiert bereits. In Österreich machen die Styria-Medien Kleine Zeitung, Die Presse und WirtschaftsBlatt, mit dem STANDARD gemeinsame Sache. Bestehende Abonnenten einer dieser Zeitungen zahlen für das <a href=“http://derstandard.at/2000025332015/STANDARD-und-Styria-starten-Flatrate-Abo-fuer-vier-digitale-Zeitungen“ target=“_blank“>Vier-Zeitungs-E-Paper-Abo</a> übrigens nur ein Drittel von Nichtabonnenten. In anderen Ländern gibt es ähnliche Modelle.
Ob Reuters diese E-Paper-Nutzer den Print- oder Online-News-Beziehern zurechnet, ist eine andere Frage. Aber eine zweitrangige.
<em>Ich danke <a href=“http://www.kleinezeitung.at/s/service/impressumkontakt/4784952/Verlagsleitung“ target=“_blank“>Kleine Zeitung-Geschäftsführer Thomas Spann</a> und dem <a href=“http://www.voez.at/“ target=“_blank“>Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ)</a> für die Unterstützung bzw. die österreichischen Daten.</em>